Nach einer Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG) vom 25.04.2023 (Az. 17 U 1/22 Kart) ist eine Vereinbarung über den Verzicht auf die Teilnahme an einem Nachbesetzungsverfahren wettbewerbswidrig.
Hintergrund des Verfahrens war eine Aufhebungsvereinbarung zwischen dem ehemaligen Chefarzt eines Krankenhauses, dem Krankenhaus sowie einer MVZ-Trägergesellschaft, deren 100%-iger Gesellschafter das Krankenhaus war. Der Chefarzt selbst betrieb ebenfalls ein MVZ. Im Rahmen einer Vereinbaurng zur Auflösung des zwischen dem Chefarzt und dem Krankenhaus bestehenden Dienstverhältnisses verzichte zusätzlich die MVZ-Trägergesellschaft des Krankenhauses darauf, sich auf vom Chefarzt vorab benannte ausgeschriebene Vertragsarztsitze im Rahmen von Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V selbst zu bewerben. Der MVZ-Träger bewarb sich in der Folge dennoch auf den Sitz einer Praxis, deren Namen der Chefarzt dem Träger zuvor mitgeteilt hatte. Der Chefarzt machte darauf hin Schadenersatzansprüche gegen den MVZ-Träger geltend.
Das OLG wies die Klage ab. Die getroffene Vereinbarung, wonach sich der MVZ-Träger verpflichtete, sich nicht auf vom Chefarzt benannte Sitze zu bewerben, ist aus Sicht des Gerichts nach § 134 BGB nichtig. Sie verstößt gegen § 1 GWB, wonach Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten sind. Die Verpflichtung, an Nachbesetzungsverfahren für Vertragsarztsitze nicht teilzunehmen, ist aus Sicht des OLG als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung anzusehen. Denn mit ihr zielten die Parteien darauf ab, den Wettbewerb zwischen ihnen bzw. zwischen den von ihnen betriebenen Medizinischen Versorgungszentren insofern zu beschränken, als die Aufnahme bzw. Ausweitung ihrer Tätigkeiten auf den betreffenden Vertragsarztsitzen nicht dem Verfahren nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V überlassen bleiben, sondern der Ausgang der Nachbesetzungsverfahren durch die vereinbarte Nicht-Teilnahme des MVZ-Trägers des Krankenhauses zu Gunsten des MVZ des Chefarztes beeinflusst werden sollte. Derartige Absprachen, durch die sich die Beteiligten vorab dahin einigen, dass einem von ihnen ein Auftrag unter Umgehung echten Wettbewerbs zugeleitet werden soll, seien als wettbewerbswidrig anzusehen.
Weiterhin war die Vereinbarung aus Sicht des Gerichts auch sittenwidrig i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten stellt das OLG fest, dass vorliegend in Zusammenhang mit der eigentlich bezweckten Auflösung des Dienstverhältnisses zwischen dem Chefarzt und dem Krankenhaus kein anerkennenswertes Bedürfnis für das zulasten des MVZ-Trägers (in welchem der Chefarzt nicht beschäftigt war) vereinbarte Wettbewerbsverbot bestand. Die Abrede diene nicht einem billigenswerten Interesse des Arztes an der Erhaltung eines Arbeitserfolges oder einer anderweitigen rechtlichen oder faktischen Position, die er sich im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Chefarzt geschaffen hatte.
Die Praxisrelevanz der Entscheidung ergibt sich über den sicherlich eher speziellen Einzelfall hinaus aus der Feststellung des Gerichts, dass Vereinbarungen über den Verzicht auf die Teilnahme an einem Nachbesetzungsverfahren grds. wettbewerbswidrig und daher rechtfertigungsbedürftig sind. Solche Vereinbarungen kommen daher auch in anderen Konstellationen nur dann in Betracht, wenn anerkannte Interessen diese Wettbewerbsbeeinträchtigung rechtfertigen. Ob dies der Fall ist, muss vorab anhand des jeweiligen Einzelfalls bewertet werden.
RA Christian Heß
Fachanwalt für Medizinrecht