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9. November 2022

Praxisvertreter als Arbeitnehmer einzustufen

Nach der Entscheidung des Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 06.05.2022 – 9 Ta 18/22 sind Praxisvertreter auch in einer Einzelpraxis als Arbeitnehmer einzustufen.

Gegenstand des Rechtsstreits war die Vertretung einer niedergelassenen Ärztin in deren Praxis. Wegen Erkrankung der Praxisinhaberin schloss diese mit einem anderen Arzt gleicher Fachrichtung einen Praxisvertretungsvertrag. Danach sollte der Vertreter die Inhaberin auf deren Rechnung in ihrer Praxis in einem festgelegten Zeitraum von mehr als zwei Monaten zu einem Stundensatz von 100,00 EUR und einer Prämie in Höhe von 50% des erbrachten oder verordneten IGEL-Umsatzes vertreten. Als „Arbeitszeiten“ waren im Vertrag Montag, Dienstag, Donnerstag von 8.30 bis 18.00 und Mittwoch von 8.30 bis 17.00 Uhr, jeweils mit einer Unterbrechung zwischen 13.00 und 14.00 Uhr, festgelegt.

Mit der vorliegenden Entscheidung stellt das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) fest, dass der Vertreter Arbeitnehmer der Praxisinhaberin war. Für die Einordnung des Vertreters als Arbeitnehmer sprach für das LAG dabei insbesondere, dass der Vertreter nicht berechtigt war, seine Arbeitszeiten frei einzuteilen. Zudem war der Vertreter aufgrund der Arbeitszeiten faktisch nicht in der Lage, in beachtlichem Umfang für weitere Auftraggeber tätig zu sein. Dass der Vertreter aufgrund der Abwesenheit der Inhaberin seinen medizinischen Auftrag nach eigenem Ermessen gestalten konnte und im Wesentlichen keinen Einzelanweisungen der Inhaber unterlag, sprach für das LAG nicht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses, da Ärzte bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich handeln. Entscheidend war schließlich, dass der Vertreter kein nennenswertes unternehmerisches Risiko trug, wie es für Selbstständige typisch ist. Der Vertreter erhielt seine Vergütung von der Inhaberin und setzte keine eigenen Betriebsmittel ein. Eine Abrechnung gegenüber den behandelten Patienten oder deren Kostenträgern nahm nicht er, sondern ausschließlich die Inhaberin vor.

Die von dem LAG herausgearbeiteten Kriterien, welche vorliegend für eine Arbeitnehmereigenschaft des Vertreters sprachen, dürften auf die Mehrzahl der eingesetzten Vertreter zutreffen. Dies gilt insbesondere für die Vergütung durch den Inhaber und die Nutzung fremder Betriebsmittel, woraus das LAG ein für Arbeitsverhältnisse typisches fehlendes wirtschaftliches Risiko ableitet. Aus der Einstufung als Arbeitnehmer können sich weitreichende sozial- und steuerrechtlichen Folgen für die Praxisinhaber ergeben, welche beachtet werden sollten.

RA Christian Heß
Fachanwalt für Medizinrecht

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